Resilienz: Zustand oder Prozess?

Das Konzept der Resilienz wird seit einigen Jahren im betrieblichen bzw. behördlichen Gesundheitsmanagement intensiv diskutiert. Häufig wird es ganz allgemein als psychische Widerstandfähigkeit gegenüber Stress und Belastungen verwandt. Weitere Begriffe wie Stressresistenz oder psychische Fitness werden in diesem Zusammenhang mitunter synonym oder mit fehlender Trennschärfe genutzt. Im spannenden Fachartikel von den Hartigh und Hill (2022) werden Konzepte aus der Physik und Werkstofftechnik in das Feld der Psychologie übertragen. Völlig klar ist, dass bei der Unterschiedlichkeit der Disziplinen ein direkter Übertrag der Konzepte nicht zielführend ist, dennoch kann diese Perspektive bei der definitorischen Eingrenzung einen Beitrag liefern. Die am häufigsten genutzten psychologischen Theorien zu Resilienz lassen sich in drei Klassen einteilen:


1) Resilienz als Widerstandkraft gegenüber Stressoren. Aus der Physik weiß man, dass sich bei ansteigender Krafteinwirkung auf ein Material auch die Beanspruchung dieses Materials zunimmt. Ist die Krafteinwirkung zu groß, kann das Material z. B. brechen. Übertragen auf psychische Prozesse, können Stressoren Schaden anrichten, wenn diese unsere individuelle psychische Widerstandskraft übersteigen. Resilienz ist in diesem Sinne die Stärke unseres psychischen Schutzschildes gegenüber Belastungen.


2) Resilienz als Fähigkeit sich zu erholen. Werkstoffe verändern mitunter unter Krafteinwirkung ihre Form. Fällt die einwirkende Kraft weg, können diese – abhängig von den Rahmenbedingungen – in die Ursprungsform zurückzukehren. Diese Elastizität kennen wir zum Beispiel von Fallschutzmatten auf Spielplätzen. Übertragen auf psychische Prozesse ist dies die Fähigkeit, nach dem Auftreten einer belastenden Situation sich wieder zu erholen und auf das psychische Ausgangsniveau zurück zu kehren. Resilienz ist nach diesem Ansatz eher ein Prozess, der uns nach dem Auftreten von psychischen Belastungen die Erholung ermöglicht.


3) Resilienz als Wachstum nach dem Auftreten von Stressoren. Aus der Physik ist der Begriff der Plastizität bekannt. Damit wird eine bleibende Formveränderung nach einer Krafteinwirkung auf ein Material beschrieben. Analoge Theorien aus der Psychologie beschreiben hier eine Anpassungsleistung, Wachstum oder „coping“ in Angesicht von psychischen Stressoren. Resilienz ist demnach die Fähigkeit sich an Belastungen anzupassen und damit im besten Falle zum Beispiel klüger, dankbarer oder zukünftig besser vorbereitet zu werden.

Aus diesen unterschiedlichen Theoriegruppen ergeben sich unteranderem Fragen, wie psychische Resilienz gemessen werden kann, oder an welcher Stelle Trainings zur Steigerung der individuellen Resilienz ansetzen sollten. Mit Blick auf professionelle Kontexte setzen wir daran an, Resilienz ganzheitlich zu betrachten. Auf einer individuellen Ebene gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass Resilienz im Sinne eines Prozesses gut beschrieben und auch trainiert werden kann. Dennoch kann es lohnend sein einen Blick auf den Zustand der aktuellen Widerstandskraft der Mitarbeitenden in der Organisation zu werfen. Daneben scheint es wichtig auch auf Ebene der Organisation die Notwendigkeit und Intensität bestimmter Stressoren zu hinterfragen und das Thema Resilienz nicht nur auch einer individuellen Ebene zu behandeln. In jedem Fall beraten wir Sie zu allen Fragenstellungen individuell und nutzen dazu den aktuellen Forschungsstand und unsere langjährige Praxiserfahrung in der Arbeit mit unseren Kunden.

Quelle:
den Hartigh, R., & Hill, Y. (2022). Conceptualizing and measuring psychological resilience: What can we learn from physics? New Ideas in Psychology, 66, Article 100934. https://doi.org/10.1016/j.newideapsych.2022.100934