Mit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine fliehen viele Menschen vor den Kriegshandlungen in andere Länder. Wir haben in den letzten Jahren bereits viel Kontakt mit Menschen gehabt, die potentiell traumatische Situationen in ihren Heimatländern und auf den Fluchtrouten erlebt haben, oder die zum Kreis der Helfenden gehören die diese Menschen betreuen und unterstützen. Das Erleben von Krieg, Gewalt, Tod, Hilflosigkeit und Verlust geht mit unterschiedlichen Reaktionen wie Angst, Trauer oder auch Wut einher. Die grundlegende Haltung, viele strukturelle Maßnahmen, wie auch Kommunikationstechniken haben sich im Kontakt mit geflüchteten Menschen gut bewährt und können auch hier geschult und erfolgreich eingesetzt werden. Die Situation der Menschen aus der Ukraine bringt allerdings einige Besonderheiten mit sich.
Das Erlebte ist akuter: Aufgrund der relativ kurzen Fluchtstrecke von der Ukraine nach Westeuropa begegnen uns Menschen, deren Erlebnisse oft nur wenige Stunden zurück liegen. Zum Teil haben sie sich über Wochen – in stetiger Angst – in Kellern versteckt gehalten, waren auf der Flucht direkt von Kampfhandlungen oder Bedrohungen betroffen und kommen wenige Stunden danach in einer deutschen Stadt an. Häufig befinden sich die Menschen noch in einer Schockphase, in der das Erlebte langsam beginnt auf die Psyche einzuwirken. Die Reaktionen können am treffendsten als „Combat stress reaction“ zusammengefasst werden. Damit wird eine zu erwartende bzw. vorhersagbare Reaktion von Menschen beschrieben, die Kriegserfahrungen machen müssen. Nach dem Aufenthalt in einer Kampfzone ist es zu erwarten, dass ein Großteil von Menschen Reaktionen wie Schreckhaftigkeit, erhöhte Wachsamkeit, Angst, Albträume, Schlafprobleme, erhöhte Reizbarkeit, Kopfschmerzen, Zittern und Muskelverspannungen, Magen- und Darmproblemen etc. zeigen. In erster Linie sind diese Reaktionen normal und eine Anpassung an die erlebten Gefahren und Bedrohungen. Diese Reaktionen schleichen sich in der Regel spätestens nach einigen Wochen aus und können in dieser Zeit durch unterstützendes Verhalten und geeignete Rahmenbedingungen weiter abgemildert werden. Aufgrund der Art und Schwere der Ereignisse ist es bei einem Teil der Betroffenen dennoch wahrscheinlich, dass ich Traumafolgestörungen ausbilden können. Hier ist eine schnelle und geeignete therapeutische Versorgung angezeigt.
Die Helfenden sind gefährdeter: Der Umgang mit Menschen, die traumatische Erlebnisse machen mussten, kann unter bestimmten Umständen auch für die Helfer eine besondere Belastung darstellen. So finden sich eine Reihe von Reaktionen von Helfenden die als sekundäre Traumatisierung bezeichnet werden können. Das ist alles andere als ein neues Konzept und bereits breit beschrieben (Figley, 1995). Insbesondere wenn eine besondere Nähe zur Situation, den Menschen und persönlichen Bezugspunkten entsteht, erhöht sich dafür das Risiko. Die Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind ähneln unseren westeuropäischen Helfenden in vielfacher Art und Weise. Angefangen von äußeren Merkmalen (wie z. B. Kleidungsstil), Lebenssituation vor dem Krieg, Hobbies und Interessen bis hin zu Wertestrukturen, Religion oder individuellen Zielen. Maßnahmen der Selbstfürsorge, Supervision und die Gestaltung von professionellen Teamstrukturen sind daher besonders wichtig um die Helfenden zu schützen.
Wir unterstützen Sie und Ihre Organisation in allen Fragen in der Arbeit mit geflüchteten Menschen aus Kriegsgebieten. Sprechen Sie uns dazu gerne an!